Wie lange dauert es, eine Gewürzmischung zu entwickeln? Warum sind regionale Bio-Kräuter besser? Und welches deutsche Kraut schmeckt wohl cremig vanillig? Annette Haugg und Elke Winkler von unserem Partner Herbaria Kräuterparadies aus Bayern erklären es.
Was ist euch bei euren Gewürzen und Gewürzmischungen besonders wichtig?
Annette Haugg: Besonderen Wert legen wir auf Regionalität, natürlich Bio-Qualität und den perfekten Ursprung. Denn die richtige Sorte am richtigen Standort sorgt für ein besonderes Aroma und eine super Qualität. Auf unseren Gewürzverpackungen steht schon immer, wo die Zutaten herkommen. Und genau darüber sind wir auch auf Bioland gekommen. Unser Oregano kommt zum Beispiel aus Rheinland-Pfalz und der Dill aus Bayern. Seither sagen viele Kunden: “Ach, das kommt ja wirklich aus Deutschland.” Der Regionalitätsaspekt wurde durch die Bekanntheit von Bioland also eindeutig gepusht.
Elke Winkler: Bei unseren drei Gewürzmischungen ist der Großteil der Zutaten Bioland-zertifiziert. Manche Rohstoffe aus dem Bioland sind nicht als Trockenprodukte erhältlich. So zum Beispiel der Ingwer. Der Anteil an Rohstoffen aus dem Bioland wird aber immer höher. So stammen zum Beispiel alle Zwiebeln von Bioland-Höfen. Die Bioland-Petersilie findet sich auch in Produkten, die nicht Bioland-zertifiziert sind, wie in unserer arabischen Mischung Ruf der Oase.
Wie entsteht eigentlich der Kontakt zu den Landwirt*innen?
Elke: Das ist ganz unterschiedlich. Manche rufen uns direkt selbst an und bieten ihre Kräuter an. Wir informieren uns aber natürlich auch selbst, zum Beispiel über unsere Ansprechperson bei Bioland oder suchen gezielt über Online-Portale. Auch durch Gespräche auf Messen sind schon Kooperationen zustande gekommen.
Annette: Wenn wir Proben gesendet bekommen, erfolgt zuerst eine Rohstoffprüfung. Ich selbst habe schon einige Sensorik-Schulungen besucht und einfach viel Erfahrung über die Jahre gesammelt. Auch meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Einkauf und der Qualitätssicherung haben Verkostungsseminare hinter sich. Denn in viele Geschmäcker muss man sich erst einmal einarbeiten. Guter Dill schmeckt zum Beispiel cremig vanillig.
Wie spannend! Was könnt ihr uns noch über den Dill erzählen?
Annette: Dill ist ein altes, klassisches deutsches Kraut und wird eher selten auf dem Weltmarkt verwendet. Es wird auch in Ägypten angebaut, aber das ist eine vollkommen andere Qualität. Dort ist es schlichtweg zu heiß. Es werden teils falsche Sorten und auch Trocknungstechniken angewendet. Die bisherigen Proben waren nie zufriedenstellend – weder für unsere Mischungen noch für die sogenannten Mono-Gewürze. Auch wenn der Dill hier mehr kostet, ist Deutschland einfach das perfekte Anbauland. Die Kombi aus Regionalität und Qualität ist hier unschlagbar.
Elke: Für unsere Produkte nutzen wir nur die zarten Spitzen des Dills. Der Rest wandert in die Gurkenproduktion – übrigens ist auch hier der Verarbeiter Bioland-zertifiziert. Unser Partner ist die Familie Lenk aus Pöttmes, das zwischen Augsburg und Ingolstadt liegt. Im Frühjahr gesät, wird der Dill im Juli bei einer Höhe von 30 bis 50 Zentimetern geerntet. Damit Aroma und Farbe erhalten bleiben, trocknet der Dill sofort nach der Ernte für ein bis zwei Tage direkt auf dem Hof. Und das sehr nachhaltig: Denn die Lenks haben eine Biogasanlage und Photovoltaikanlagen auf den Dächern zur Stromgewinnung. Mit der Abwärme werden die Kräuter getrocknet und sogar noch die Nachbarn mit Fernwärme versorgt.
Bei den Gewürzmischungen ist euer Aufwand natürlich deutlich höher. Wie entsteht überhaupt die ideale Zusammensetzung?
Annette: Wir haben ein eigenes Team für die Produktentwicklung mit dem Profikoch Hans Gerlach an der Spitze. In unserer Versuchsküche achten sie gemeinsam darauf, dass die Mischungen in den fünf Geschmacksrichtungen – süß, sauer, salzig, bitter und umami – gut abgerundet sind. Hans entwickelt die Rezepte aus frischen Zutaten. Ich muss dann die passenden Trockenprodukte finden. Unser Ziel ist es, dass die Leute nicht nachwürzen müssen und außergewöhnliche Produkte bekommen. So gibt es bei uns beispielsweise Provençalische Wildblüten statt der klassischen Kräuter der Provence.
Elke: Manchmal gibt es für uns im Büro auch kulinarische Überraschungen. Als beispielsweise unsere neue Mischung für Weihnachtsplätzchen entwickelt wurde, konnten wir die fertigen Plätzchen Probe naschen. Beim Kochen und Testen sind auch unsere Verkäufer miteingebunden, damit sie die Mischung im Prozess und das Endergebnis beurteilen können. Schmeckt etwas zu säuerlich, wird die Kombination überdacht und angepasst. Es wird viel an den Rezepturen gefeilt, sodass es schon mal etwas länger dauern kann.
Wie lange denn ungefähr?
Elke: Von der Idee bis zur fertigen Mischung dauert es im Durchschnitt ein halbes Jahr. Manchmal kann es auch sein, dass ein Rohstoff nicht oder nicht mehr verfügbar ist. Dann müssen wir die Rezeptur anpassen und zum Beispiel den säuerlichen Sumach durch Hibiskus ersetzen.
Annette: Unsere Gemüsebrühe Querbeet hat etwas mehr Geduld und Zeit gebraucht. Das Rezept war nach dem ersten Aufschlag noch mal zwei Jahre im Fine Tuning, bis es letztendlich auf den Markt kam. Die besondere Herausforderung war, dass wir ohne Hefeextrakt mit seinem starken würzigen Geschmack arbeiten wollten. Auch auf Aromen oder Bindemittel, die den Geschmack besser transportieren, haben wir verzichtet. Durch viele Versuche haben wir die Zutat gefunden – wenn vielleicht auch überraschend -, die unser Querbeet rund macht: getrocknete Steinpilze.
Hans Gerlach
Koch Hans entwickelt die Rezepturen für die Gewürzmischungen mit frischen Zutaten.